Zitat von
Jane
Ich bin der selben Meinung wie Püppi21, dass der optische Effekt nach einer Olaplexbehandlung überwiegend auf Oberflächenkonditionierung durch No 2 und 3 beruht - oder eben durch vergleichbare Produkte.
Wir haben hier ja nicht nur das erwähnte kationische Polymer (PQ 37), sondern ja auch sehr viele gängige kationische Tenside (größtenteils Quats): Behentrimonium Methosulfate, Stearamidopropyl Dimethylamine (kationaktiv), Quaternium-91, Cetrimonium Methosulfate, Cetrimonium Chloride. Die sind ja dazu da, die geschädigte Haaroberfläche zu "maskieren", bzw die Oberflächeneigenschaften gesunder Haare, deren Oberfläche durch eine fest gebundene Fettsäureschicht (18-MEA, 18-Methyleicosansäure) wasserabweisend ist, gewissermaßen zu imitieren. Bei oxidativen Prozessen geht diese Schicht schnell verloren und es bleiben wasserliebende Gruppen zurück. GEschädigtes Haar ist daher wasserliebend und damit stärker quellbar).
Diese gebundenen Fettsäuren (ebenfalls überwiegend die 18-MEA) befinden sich auch zwischen den Schuppen im Zellmembrankomplex. Auch hier werden diese durch Oxidation gebrochen und gehen somit verloren.
Neben der Lipidoxidation (freier und gebundener Lipide) entstehen auch oxidative Schäden an anderen Aminosäureseitengruppen in den Haarproteinen.
Jetzt noch mal zu Olaplex.
Bei diesem Olaplex-Stoff selbst handelt es sich lediglich um einen Sulfhydryl-Crosslinker. Das heißt, sie können eigentlich nur mit Thiolgruppen (=Sulfhydryl) reagieren - also freien Schwefelgruppen. Diese Selektivität ist auch der Grund, weshalb solche Verbindungen auch schon lange Zeit in der Proteinchemie (Bioconjugation und Crosslinking) oder in der Haarforschung verwendet werden.
Für diese Crosslinker-Reaktion sind freie Thiolgruppen erforderlich (die Seitengruppe von der Aminosäure Cystein).
Nun sollte man wissen, dass bei oxidativen Prozessen Thiolgruppen oxidiert werden. Dabei bildet sich entweder zufällig eine Disulfidbrücke, sobald sich während der Oxidation zwei Thiolgruppen näher kommen, oder - in den meisten Fällen - werden diese über diverse Oxidationsstufen zu Sulfonsäure (Cysteinsäure) oxidiert. Ähnlich werden Disulfidbrücken über diverse Oxidationsstufen ebenfalls zu Sulfonsäure (Cysteinsäure) oxidiert.
Allerdings kann der Crosslinker in Olaplex nur mit Thiolgruppen reagieren (solche, die nicht oxidiert worden sind). Die Augenwischerei bei Olaplex ist die Aussage, dass durch Oxidation geschädigte Disulfidbrücken wieder aufgebaut werden können. Das ginge nur bei einer reduktiven Spaltung (bei 'ner Dauerwelle), da hier Thiolgruppen entstehen.
Man hat in der Haarwissenschaft schon vor einigen Jahrzehnten die unterschiedliche Menge an freien Thiolgruppen im Haar ermittelt (ironischer Weise mit ähnlichen Verbindungen (siehe weiter unten)), mit dem Ergebnis, dass unbehandelte Haare mehr Thiolgruppen enthalten, als geschädigte Haare. Mit jedem Oxidationprozess wird die Anzahl der Thiolgruppen weniger. Dafür entsteht sehr viel Sulfonsäure, auch bekannt als Cysteinsäure.
Dass durch die Reaktion mit diesem Mittel Disulfidbrücken hergestellt werden, ist auch eine irreführende Aussage. Wenn diese Art Crosslinker (z.B. in Olaplex) mit zwei Thiolgruppen reagiert haben, haben wir als Ergebnis keine Disulfidbrücke vorliegen, sondern es wird imgrunde eine synthetische Brücke hergestellt - mit anderen Eigenschaften.
Die Brücke selbst besteht aus einem Spacer - das Verbindungsstück sozusagen. Der Spacer beim Bis-Aminopropyl Diglycol Dimaleat ist das Bis-Aminopropyl Diglycol. Dieses ist ein kleiner Polyether (Triethylen) mit jeweils einem entständigen Amin. Diese beiden entständigen Amine halten sich ionisch an jeweils einem Maleat fest. Die beiden Maleate selbst sind das einzige, das Reaktionen mit dem Schwefel (Thiolgruppen) eingeht (Siehe Michael-Addition).
Allerdings lässt sich an dieser Stelle keine Disulfidbrücke mehr herstellen, sondern sie wird durch diese Brücke unumkehrbar ersetzt. Die Schwefelgruppen haben dann ja mit Maleat reagiert und einen Thioether gebildet. Man sagt auch, dass die Schwefelgruppe maleyliert wurde. Das einzige was theoretisch abfliegen kann, ist der ionisch gebundene Spacer (das Bis-Aminopropyl Diglycol).
Ich weiß nicht wie stark oder schwach der Spacer gebunden ist, aber ich halte das schon für eine Schwachstelle. Es ginge nämlich auch anders...
Anstatt der Maleaten (entsp. Maleinsäuren) werden nämlich sonst eigentlich deren Imide verwendet, nämlich Maleimide.
Bei Bis-Aminopropyl Diglycol Dimaleat von Olaplex sind ja - so wie auch auf der oft zitierten Seite Labmuffin dargestellt - zwei Maleate über eine Ionenbindung mit jeweils einem Amin des Spacers gebunden. Dieses spiegelbildliche Bis-Aminopropyl Diglycol ist der sog. Spacer - die eigentliche Brücke. Bei Maleimiden allerdings haben die Amine eines solchen Spacer-Arms mit den Maleaten reagiert. Das heißt, dass der Spacer bei Maleimiden fest verknüpft sind. Diese Art spiegelbildlich aufgebaute Corsslinker nennt man dann Bis-Maleimide.
Es ist folglich eigentlich auch möglich, dass der Spacer Bis-Aminopropyldiglycol nicht nur ionisch, sondern fest an den Maleaten gebunden ist. Das in Olaplex verwendete Bis-Aminopropyl Diglycol Dimaleat wäre als entsprechendes Bis-Maleimide das „bis(maleimido)triethylene glycol” (BM PEG3), welches auch bei Thermofisher* zu finden ist (darf leider nichts verlinken).
In einem weiteren Patentschreiben ist das bis-(maleimidoethoxy) ethane aufgeführt, das auch bei Thermofisher unter der Bezeichnung bis(maleimido)diethylene glycol (BM PEG2) zu finden ist. Einfach mal bei Thermofisher durchklicken (zu den Sulfhydryl-Crosslinker)...
*Thermofisher ist ein Händler für Geräte, Chemikalien, und solche biochemischen "Tools".
Naja, Olaplex (also Liqwd, Inc.) haben altbekannte Erkenntnisse quasi nur neu aufgewärmt, daher sämtliche Patenrechte für ähnliche verwendbare Crosslinker eingekauft und sich dann gleich 8-fach abgesichert (und dafür sicher erst mal ordentlich geblecht), damit die anderen es schwer haben ähnliche, altbekannte Crosslinker zu verwenden, obwohl man die ja schon seit einer gefühlten Ewigkeit kennt und auch verwendet hat.
Insofern ist das eigentlich unfair von Olaplex, da diese ja nichts Neues erfunden haben.
Bereits um die Dreißigerjahre wurden die Reaktionen zwischen Maleinsäure und Thiolverbindungen untersucht. Und in der Haarforschung wurden schon vor einigen Jahrzehnten die Maleimide genutzt (z.B. von Leszek J. Wolfram), um Haare zu modifizieren oder etwa die Menge an freien Thiolgruppen zu untersuchen oder um Thiolgruppen zu blocken, um Disulfide-Sulfhydryl Interchange-Reaktionen zu untersuchen.
Es gibt sogar ein Patent mit Bis-Maleimiden als Haar- und Wollbehandlungsmittel aus dem Jahre 1955 (Joseph E. Moore).
In einem der Patente von Olaplex, also von Liqwd, Inc., wird der ionische gebundenen Spacer - der verwendet wird -, patentiert, in einem weiteren aber auch die entsprechenden Bis-Maleimiden... So kann auch diese niemand mehr ohne rechtliche Konsequenzen vermarkten, obwohl diese irrsinnigerweise schon sehr lange bekannt sind (auch als Haarbehandlungsmittel) und (meistens in der Biochemie) verwendet wurden.
Patent von Olaplex: Hier wird das Maleat mit ionischen Spacer aufgeführt: Patentnummer: US20150034117
Patent von Olaplex: Hier werden Bis-Maleimide aufgeführt: Patentnummer: US20150037270
Hier das alte Patent von 1955 ebenfalls mit Bis-Maleimiden: Patentnummer: US2850351
Hätte also Liqwd, Inc. nicht auch die Bis-Maleimide für sich patentrechtlich gesichert (auch wenn sie diese nicht verwenden), hätte sie sich ein anderer schnell gesichert, bzw man hätte einfach Produkte mit Bis-Maleimiden angeboten. Eigentlich warte ich darauf, dass mal demnächst ein Produkt mit einem N-Alkyl Maleimide oder N-PEG Maleimide oder ähnlichem als Alternative angeboten wird, insofern die Rechte darauf nicht auch von Liqwd, Inc. eingekauft wurden.