Mir geht es mental auch wirklich gut, zu Beginn wollte ich die Diagnose zwar nicht wahrhaben
(Krebs bekommen doch schließlich nur die anderen, aber niemals man selbst), und habe lange gehofft dass vielleicht nur Proben vertauscht wurden und alles nur ein schlimmer Irrtum ist bzw. ein ganz furchtbarer, nicht enden wollender Traum. Aber nachdem ich akzeptiert hatte, dass die Diagnose traurige Wahrheit ist, war für mich von Anfang an klar, dass ich wieder völlig gesund werde. Ich war und bin davon überzeugt, dass es gar keine andere Möglichkeit gibt als meine vollständige Heilung. Und mit diesem Optimismus gehe ich auch durch den Alltag. Natürlich hatte ich auch mal Durchhänger, meist aber körperlicher Natur. Die bleiben nun mal nicht aus, wenn z.B. durch die Chemo sämtliche Blutwerte runter knallen.... man sich allmählich wieder berappelt hat und etwas besser fühlt, und dann die nächste Dosis oben drauf kommt und das Spiel von vorne beginnt. Ich hatte mir daher von Anfang an vorgenommen, mir überhaupt nichts vorzunehmen oder zu planen, weil ich nie wusste wie der nächste Tag wird, ob ich dann fit bin oder den ganzen Tag nur matt im Bett liege. Daher war mein Mantra, immer nur von einem Tag auf den nächsten zu schauen, und immer einen Schritt nach dem nächsten zu machen, ohne im Voraus zu planen.
Eine Krebserkrankung ist kein Spaziergang, und gerade die Chemotherapie verlangt einem so einiges ab... zu wissen dass man die Haare verlieren wird ist die eine Sache, aber wenn man dann eines morgens unter der Dusche steht und nach dem einshampoonieren der Schaum plötzlich voller Haarbüschel ist, innerhalb von 3 Tagen beim Griff in die Haare gefühlt kaum noch was da ist und man den Gang zum Abrasieren der Haare geht, das ist noch mal eine ganz andere Sache.... Augenbrauen, die sich dann nach und nach immer mehr verabschieden.... plötzlich an jedem Auge nur noch eine einstellige Anzahl an Wimpern
. Man stellt es sich furchtbar vor, aber wenn man es erlebt ist es noch tausendmal schlimmer. Auch wenn das alles nur Äußerlichkeiten sind, für mich war das ganz schlimm. Man sieht dann sofort richtig schlimm aus, durch den kahlen Kopf fast schon gebrandmarkt. Ganz zu schweigen von den körperlichen Symptomen der Chemo... wenn man gesund und fit war, mitten im Leben stand, und dann plötzlich, unter Menschen oder nachts im Schlaf, mit dem Thema Inkontinenz konfrontiert wird, das ist wirklich demütigend, ich habe mich so würdelos gefühlt ..... nicht zu vergessen die brutalen Verstopfungen direkt nach der Chemo, bei denen ich mich z.T. so verausgabt hatte dass ich auf dem Klo kollabiert bin, und einen Tag danach schon ein derartiger Durchfall, dass man auf dem Weg vom Bett zum Bad fast schon eine Furche in den Boden gelaufen hat und man kaum gegen den Flüssigkeitsverlust antrinken kann, auch weil wegen der gereizten Magenschleimhaut jeder einzelne Schluck weh tut. Nicht zu vergessen der Geschmacksverlust, schon relativ früh habe ich nichts mehr geschmeckt, Essen war dadurch kein Genuss mehr, sondern nur noch reine Nahrungsaufnahme. Und obwohl mein Geschmack schon früh weg war, wurde es nach jeder weiteren Infusion noch weniger, obwohl ich längst dachte dass eine Steigerung nciht mehr geht. Geschmeckt habe ich letztlich nur noch salzig und essigsauer. Konnte zum Schluss sogar ohne mit der Wimper zu zucken Salbeitee trinken, der stundenlang gezogen hatte - meine angegriffenen Magenschleimhäute waren dafür sehr dankbar.
Ich möchte mit dieser Aufzählung keine Bewunderung oder Lob dafür, was ich ausgehalten habe, das müssen (leider) jeden Tag viel zu viele andere Krebskranke auch. Aber das sind die "kleinen" Dinge (und noch viele mehr, die ich gar nicht erwähnt habe), die ein Mensch während einer Krebsbehandlung so aushalten muss, von denen man als Außenstehender aber überhaupt nichts ahnt. Man stellt sich den "typischen Krebskranken" halt dauerkotzend, im Siechtum niederliegend und mit einem kahlen Schädel vor, aber ganz so simpel ist es nicht. Mehr erfährt man aber nicht - und bei so einigen Dingen wäre es mir lieber gewesen ich hätte es vorher schon gewusst. Aber gut, es ist überstanden, war eine eher unschöne Episode und ich blicke nach vorne