Christy macht in Business
Sie gilt als die schönste Frau der Welt. Ihr Gesicht hängt im Museum of Modern Art. Dann brach sie mit dem Modelleben. Jetzt meldet sich Christy Turlington zurück - als Unternehmerin
Mit 30 müssen sich Männerträume der Realität stellen. Die Bewusstwerdung, dass Schönheit zwar nicht vergänglich, aber inflationär sein kann, führt die Beauties der 90er zuweilen in die Sinnkrise - Kaffee statt Kenzo.
Oder auch nicht. Christy Turlington war immer anders. Die jetzt 33-Jährige, vielleicht die Schönste - steigern wir vielleicht und schreiben wahrscheinlich - der Super-Six-Models aus der vergangenen Dekade, rauchte, sagte Nein und spendete mir nichts, dir nichts Millionen für die Menschenrechtsorganisationen in El Salvador. Turlington, von der ihre Fangemeinde im Internet behauptet, "du bist der Grund warum Gott die Frauen erschaffen hat", räkelte sich nackt auf Schwarz, um gegen die Pelztierindustrie zu wettern und insistierte via Fernseh-Spot: "Je mehr du weißt, desto besser siehst du aus." Doppeldeutig. Turlington gesponsert von US-Zeitungsverlegern.
Mit vier Buchstaben - einem E, einem n, einem d, einem e - beraubte sie vor sieben Jahren die Männerwelt einer Sehnsucht, und kletterte von heute auf morgen endgültig vom Laufsteg. Schluss. Die Exekution mit einem Leben, von dem Linda Evangelista einmal behauptete: "Christy und ich stehen erst dann auf, wenn es um mehr als 10 000 Dollar geht."
Vergangene Woche meldete sich die ambitionierte Schönheit wieder zurück. Bescheiden, fast ein wenig kleinlaut. Sogar fast pünktlich.
Beauty macht jetzt Business, ließ sie grau in grau gekleidet, einen Reporter der "Financial Times" wissen, der anschließend aufschrieb: "Hunderte Male habe ich sie auf Titelseiten der Hochglanzmagazine gesehen. Sie kam aus dem Fernsehen, von Plakaten. Ich dachte ich sei vorbereitet. Jetzt ringe ich nach Atem." Von Killer-Augen ist die Rede.
Turlington vermeidet es, ihren Namen zu labeln. Ihr Produkt heißt Sundari. Das kommt aus dem Hindi und heißt so viel wie schöne Frau. Hochpreisige Cremes, Wässerchen und Lotions verbergen sich hinter Sundari, dass es schon länger in den USA, jetzt auch in Europa - allerdings vorerst nur in London - zu kaufen gibt.
Aber wohl mehr ist, als ihr erster Ausflug ins Unternehmertum. Das zusammen mit Claudia Schiffer, Naomi Campbell und Elle McPherson gestartete Unternehmen Fashion Café endete nicht nur im finanziellen Desaster, sondern beendete auch das Verhältnis zu den Ex-Kolleginnen mit einem Schlag.
Turlington zog die Konsequenz: "Ich wusste genau, das ist nicht mein Ding", bilanziert sie heute stocknüchtern, während der Ober ihr mit schwitzenden Fingern Wasser ins Glas kippt. Sie suchte Alternativen. Nach zwei Jahren harter Verhandlungen launchte sie für den deutschen Sportartikler Puma eine Yoga-Linie. Erfolg. Aber nicht erfolgreich genug. Turlington kam mit Absolventen der Harvard Business School in Kontakt, die eine Hautpflege-Serie auf den Markt bringen wollten - basierend auf der mehr als 5000 Jahre alten indianischen Heilungsphilospohie Ayurveda: Geist, Körper und Sinne müssen ausbalanciert sein, so die Lehre.
Rund zehn Millionen Mark Umsatz machte Chritys Company im vergangenen Jahr. Tendenz rasant steigend. Seitdem brütet sie über Bilanzen und Kostenstrukturen. Eruiert neue Märkte und verhandelt umsatzträchtige Outlets. "Das erste Mal im Leben agiere ich selbstbestimmt", übt sie sich im neuen Selbstbewusstsein. Und bricht trotz wei-ter laufenden Millionen-Verträgen mit Calvin Klein und Maybelline, schroff mit ihrer eigenen Historie: "Nie wieder." Nie wieder wolle sie in ihr altes Leben zurück.